War die jüngste SoundCloud-Finanzierung mit 70 Millionen Dollar an Krediten ein Befreiungsschlag oder ein Offenbarungseid? Einer der Geldgeber spricht Klartext.
Das verlustreiche Berliner Musik-Startup SoundCloud hat sich mit einer Kreditfinanzierung über 70 Millionen US-Dollar Anfang März Luft zum Atmen verschafft. Seit die Zusage der Geldgeber Ares Capital, Kreos Capital und Davidson Technology Growth Debt Fund vergangene Woche bekannt wurde, streiten sich Marktbeobachter über die Frage: War das jetzt ein „rettender Befreiungsschlag oder eine Kamikaze-Aktion“? (So formuliert es etwa OMR-Vordenker Philipp Westermeyer.)
Dahinter steht die Annahme, dass Finanzierungen über Fremdkapital für Startups eigentlich immer nur zweite Wahl sein sollten, weil sie Kontrollverlust für Gesellschafter und Unternehmenslenker bedeuten. Interessanterweise vertrat diese These nur drei Tage vor Bekanntwerden des 70-Millionen-Kredits ein früher SoundCloud-Investor, Fred Wilson von Union Square Ventures, auf seinem Blog. Entscheidet sich ein Unternehmen gegen eine „echte“ Finanzierungsrunde mit Eigenkapital, scheint also ein Problem vorzuliegen.
Bei SoundCloud war der Grund, zum zweiten Mal seit 2016 auf Fremdkapital zu setzen, offenbar tatsächlich das Unvermögen, sich mit existierenden und möglichen neuen Investoren auf eine faire Bewertung für eine Equity-Runde zu einigen. Wie Recode vor einiger Zeit bereits berichtete, bewerteten manche Interessenten das Unternehmen mit deutlich weniger als den 700 Millionen US-Dollar, die der letzten Finanzierungsrunde aus dem vergangenen Sommer zugrunde lagen – gleichzeitig beharrten Gründer und frühe Geldgeber offenbar auf dem Wert von einer Milliarde Dollar, der seit einiger Zeit die Runde macht.
Hintergrund für die unterschiedlichen Vorstellungen zur Frage, wie viel SoundCloud derzeit wert ist, ist die andauernde Krise des 2007 gegründeten Unternehmens. Jährlich laufen hohe Verluste auf, gleichzeitig ist völlig unklar, wie gut das 2016 gestartete Abo-Modell anläuft – SoundCloud veröffentlicht keine Zahlen zu der Frage. Erst gestern wurde bekannt, dass nach COO Mark Strigel und VP Finance & IT Markus Harder ein weiterer wichtiger Mitarbeiter das Unternehmen verlässt: David Noël, 2009 einer der ersten Angestellten von SoundCloud und zuletzt Head of Internal Communication & Evangelist, widmet sich einem neuen Projekt.
Einer, der dennoch an den Erfolg des Unternehmens glaubt, ist Eran Davidson. Logisch: Er ist der Mann hinter dem neuen SoundCloud-Geldgeber Davidson Technology Growth Debt Fund. Mit Gründerszene hat Davidson erstmals über den Deal gesprochen – und geht dabei in die Vorwärtsverteidigung.
„Ich hätte es nicht gemacht, wenn ich nicht überzeugt wäre, dass dies ein großartiges Unternehmen ist, das zudem deutlich unterbewertet ist“, so Davidson. „SoundCloud ist mit Abstand die größte Musikplattform der Welt, obwohl mir die Zahlen eigentlich egal sind. Sie haben 175 Millionen aktive Nutzer!“ Auf der ganzen Welt gebe es weniger als zehn Unternehmen, die so viele aktive Nutzer hätten.
Davidson verweist auch auf die große Menge an user-generated content auf der SoundCloud-Plattform. Mehr als 135 Millionen Tracks finden sich dort. Es sei „kein Zufall, dass die drei wichtigsten Musiklabels und eine Reihe von Top-VCs in SoundCloud investiert haben“. Es gebe immer noch „viel unausgeschöpftes Potenzial“. Davidson: „Ich hatte nie den geringsten Zweifel an dem Unternehmen.“